Warum sind sich die islamischen Völker uneinig untereinander und streiten miteinander, obwohl der Islam für Einheit plädiert?
Mahmoud Zakzouk.
1. Niemand kann es leugnen, dass die islamischen Völker in unserer Zeit uneinig sind und untereinander streiten. Jedoch ist dies als eine Phase in der Geschichte der Muslime zu betrachten, welche auch andere Völker und Nationen erlebt haben. Das heißt, wir haben es nicht notwendig mit einem permanenten Zustand zu tun. Und wie die europäischen Völker ihre Uneinigkeit und Streitigkeiten untereinander - die Ursache zweier Weltkriege im 20. Jhdt. - überwunden haben, so können auch die muslimischen Völker ihre Uneinigkeit überwinden. Sie müssen versuchen, ihre Probleme zu lösen und eine fruchtbare Zusammenarbeit unter allen islamischen Ländern schaffen. Es gibt kontinuierliche Versuche in dieser Hinsicht, jedoch schreiten sie nur langsam voran und sind von begrenztem Einfluss. Zu erwähnen sei in diesem Zusammenhang die Organisation der Islamischen Kongresse, welcher alle islamischen Länder angeschlossen sind. Aber man muss die Leistung dieser und ähnlicher Organisationen verbessern, um eine echte, fruchtbare Zusammenarbeit zu erzielen. Die islamischen Prinzipien und Lehren bezüglich Einheit und Solidarität sind die beste Garantie dafür, dass alle diese Bemühungen in Zukunft Erfolg haben werden.
2. Die Quellen des Islam, d.h. der Koran und die Überlieferungen des Propheten, plädieren für Einheit und Solidarität und warnen vor Uneinigkeit und Streitigkeiten:
“Und haltet allesamt am Seil Gottes fest und spaltet euch nicht!” (3,103)
Oder:
“Und gehorchet Gott und seinen Gesandten und streitet euch nicht, sonst gebt ihr auf und seid zur Untätigkeit verurteilt” (8,46).
Der Islam fordert dazu auf, Mitgefühl für das Leiden der Mitmenschen zu haben und ihr Leiden zu lindern. Die Nation ist als ein Körper zu betrachten, und wenn ein Teil dieses Körpers krank ist, dann antwortet der Rest des Körpers durch Mitgefühl, indem er Fieber bekommt und nicht schlafen kann. Der Islam verlangt, dass alle Gläubigen sich als Brüder betrachten sollen.
“Die Gläubigen sind doch Brüder.” (49,10)
Und als der Prophet nach Medina einwanderte, vereinigte er die Emigranten und die Einwohner von Medina zu einer brüderlichen Gemeinschaft, die ihre Hoffnungen und Enttäuschungen miteinander teilten und zusammen arbeiteten. Im Koran und in der Sunna finden sich viele Beispiele für ihre Solidarität und Einheit.
3. Es gibt viele externe Gründe, die zur Spaltung und Trennung der Muslime in der jüngsten Geschichte führten. Diese sind auf die Zeiten zurückzuführen, in denen der Kolonialismus als Besatzungsmacht die Oberhand in den islamischen Ländern hatte. Das Thema der politischen Grenzen gehört zu den vielen Problemen, welche die Imperialisten hinterlassen haben, zumal das Grundprinzip ihrer Herrschaft darin bestand, “zu trennen und zu herrschen”.
So ist zu verstehen, warum die Kolonialmächte ethnische Sensitivitäten der Minderheiten in den eroberten Gebieten wieder ins Leben gerufen haben. Diese damals herrschenden Mächte plünderten die besetzten Länder, was zu der Armut und kulturellen Unterentwicklung dieser Völker führte, die bis heute noch bestehen.
4. Muslime in den Ländern, die Opfer das Imperialismus waren, konzentrierten sich darauf, die durch die Fremdherrschaft geschaffenen Probleme zu lösen, und vernachlässigten dabei, den Prinzipien des Islam, der Einheit und Zusammenarbeit fordert, zu folgen. Aber nichtsdestoweniger sehnen sich die islamischen Länder danach, mit vereinter Kraft die Wohlfahrt aller ihrer Völker anzustreben.
Jeder Muslim identifiziert sich natürlicherweise mit dem Leiden aller anderen Muslime, wo sie sich auch befinden mögen, denn sie sind alle ein Teil der großen islamischen Nation. Diese Einstellung kann zu der Errichtung einer soliden Grundlage für die Neuerschaffung von Einheit, Koordination und Zusammenarbeit zwischen den islamischen Staaten führen. Gemeinsame Anstrengungen in den Gebieten Kultur, Wirtschaft, Politik, Sicherheit, und ein Austausch von Erfahrungen kann diesen Nationen helfen, sich positiv zu entwickeln und eine konstruktive Rolle bei der Verwirklichung von Frieden und Sicherheit überall in der Welt zu spielen.
Quelle: islam-auf-deutsch.de
|